Stresemann über den deutschen Beitritt zum Völkerbund (1925)

Außenminister Gustav Stresemann skizziert in einem Schreiben vom 7. September die Interessen Berlins für den deutschen Beitritt zum Völkerbund:

„Zur Frage des deutschen Beitritts zur Liga möchte ich folgende Bemerkungen machen:

Meiner Meinung nach gibt es drei große Aufgaben, mit denen die deutsche Außenpolitik in naher Zukunft konfrontiert ist. Erstens die Lösung der Reparationsfrage in einem für Deutschland erträglichen Sinne und die Gewährleistung des Friedens, die eine wesentliche Voraussetzung für die Wiederherstellung unserer Stärke ist.

Zweitens der Schutz der Deutschen im Ausland, jener 10 bis 12 Millionen unserer Verwandten, die jetzt unter einem fremden Joch in fremden Ländern leben.

Die dritte große Aufgabe ist die Anpassung unserer Ostgrenzen; die Wiederherstellung von Danzig, dem polnischen Korridor, und eine Korrektur der Grenze in Oberschlesien. Im Hintergrund steht die Union mit Deutsch-Österreich, obwohl mir klar ist, dass dies Deutschland nicht nur keine Vorteile bringt, sondern die Probleme des Deutschen Reiches ernsthaft kompliziert.

Wenn wir diese Ziele erreichen wollen, müssen wir uns auf diese Aufgaben konzentrieren… Die Frage der Wahl zwischen Ost und West stellt sich nicht aus unserem Beitritt zur Liga. Eine solche Wahl kann nur getroffen werden, wenn sie von militärischer Gewalt unterstützt wird. Das haben wir leider nicht… Die deutsche Politik wird von Finesse und der Vermeidung großer Entscheidungen geprägt sein. “