Erklärung der neuen SPD-Regierung (1918)

Eine Erklärung der neuen SPD-Regierung, unterzeichnet von Ebert, Scheidemann und anderen, die am 12.November dem deutschen Volk überreicht wurde:

„Zum deutschen Volk!

Die aus der Revolution hervorgegangene Regierung, deren politische Führung rein sozialistisch ist, stellt sich die Aufgabe, das sozialistische Programm zu verwirklichen. Es kündigt nun mit Gesetzeskraft Folgendes an:

1. Der Belagerungszustand wird aufgehoben.

2. Das Vereinigungs- und Demonstrationsrecht unterliegt keinen Einschränkungen, auch nicht für Beamte und öffentliche Angestellte.

3. Es wird keine Zensur geben. Die Theaterzensur wird hiermit aufgehoben.

4. Es wird Meinungsfreiheit bei Reden und Veröffentlichungen geben.

5. Die Religionsfreiheit ist garantiert. Niemand darf gezwungen werden, an religiösen Aktivitäten teilzunehmen.

6. Amnestie wird für alle politischen Verbrechen gewährt. Fälle, die sich aus solchen Verbrechen ergeben, werden abgewiesen.

7. Das Recht des nationalen Dienstes wird mit Ausnahme der Bestimmungen über die Schlichtung von Konflikten aufgehoben.

8. Die Regeln für die Beziehungen zwischen Bediensteten und Herren sowie die Sondergesetze für Landarbeiter werden aufgehoben.

9. Die zu Beginn des Krieges aufgehobenen Arbeitnehmerschutzgesetze werden hiermit wieder eingeführt. Weitere soziale und politische Dekrete werden in naher Zukunft erlassen. Spätestens am 1. Januar 1919 tritt der maximale Arbeitstag von acht Stunden in Kraft. Die Regierung wird alles tun, um ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Ein Dekret zur Entschädigung der Arbeitslosen wurde ausgearbeitet. Die Lasten werden an die nationalen, staatlichen und kommunalen Regierungen verteilt. Im Bereich der Krankenversicherung wird die Pflichtversicherung über die derzeitige Grenze von 2,500 Mark hinaus verlängert. Der Wohnungsmangel wird durch die Bereitstellung neuer Wohnungen bekämpft.

Die Regierung wird auf eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln hinarbeiten. Die Regierung wird eine geordnete Produktion aufrechterhalten und das Eigentum gegen das Eingreifen von Privatpersonen verteidigen sowie die Freiheit und Sicherheit des Einzelnen schützen.

Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sollen von nun an durch gleiche, geheime, direkte und universelle Abstimmung auf der Grundlage einer proportionalen Vertretung aller Männer und Frauen ab 20 Jahren abgehalten werden. Dieses Abstimmungssystem wird auch für die Verfassungsversammlung gelten, über die in Kürze weitere Richtlinien erlassen werden. “

Unterzeichnet in Berlin am 12. November 1918
Von den Messern Ebert, Haase, Scheidemann, Landsberg, Dittmann und Barth.